„Aus gleichen Teilen Talg und Terpentinöl“. Lehrfilm als Beziehungsarbeit mit Dingen

Wann

Sa, 28/09/2019 – 13:00

Wo

Universität zu Köln, Philosophikum, Seminarraum S 85, Universitätsstraße 41, 50931 Köln, Deutschland

Vortrag von Joachim Schätz bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zu „Medien-Materialitäten“

Der Vortrag handelt von der Schwierigkeit, die Anschaulichkeit von Dingen im Lehrfilm zu gewährleisten. Er führt ein in das Panel „Schmiermittel des Films. Funktionalität und Widerspenstigkeit“.

Die Anschaulichkeit, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Argument für Film als Lehrmittel ins Treffen geführt wird, meint nicht zuletzt eine Anschaulichkeit von Dingen. Lehren mit Film folgt seit den „Mustervorstellungen“ des Kinoreformers Hermann Häfker in den 1910er Jahren häufig dem Paradigma des Anschauungsunterrichts, auf Englisch geläufig als ‚the object lesson‘. Einzelne Objekte – ob keimende Pflanze, laufende Maschine oder zu bindende Krawatte – werden aus einem größeren Zusammenhang gelöst, in pädagogisch dosierter Detailgenauigkeit und Geschwindigkeit zu sehen gegeben und erläutert.

‚Object lessons‘, Lektionen in der medienästhetischen Bearbeitung und Prozessierung von Objekten, erteilen Lehrfilme auch denen, die sie herstellen und zeigen. In der Fachpublizistik des Lehrfilms zerfällt die unterstellte Affinität des Films zum bewegten Objekt in eine kleinteilige Beziehungsarbeit an und mit Dingen. Deren Sicht- und Lesbarkeit wird nicht erst dort zum Problem, wo Mikrofotografie und Zeitraffer benötigt werden, sondern etwa bereits bei den störenden Lichtreflexen glänzender Maschinenflächen, denen mit Schmiere (Rezeptur: siehe Titel) abgeholfen werden soll.

Auch die Vorführung gestalten Dinge und ihre (nicht immer souveräne) Handhabe entscheidend mit, von Rohrstab und Filmbroschüren bis zu Projektoren mit eigenem Kühlsystem, die in den 1920er Jahren den gefahrlosen Bildstopp an Nitrofilmen ermöglichen sollen. Diese Dingverhältnisse des Lehrfilms bringen unterschiedliche Konzepte von Materialität ins Spiel, womöglich in Beziehung: die materiellen Effekte und Verkettungen von Dispositiven (unterschiedlich nach Foucault und Baudry/Kessler) und Gefügen mit einer Materialästhetik des Films, die im Intimkontakt mit Texturen und Bewegungen mitunter ins Blitzen und Schwirren gerät.

Veranstalter: Institut für Medienkultur und Theater, Universität zu Köln