„Eine Maexie Production“: Ellen Illichs Familienfilme zwischen Erinnerungsproduktion und Selbstvergewisserung
Fr, 10/05/2019 – 11:40
CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V., Birkenstraße 1, 28195 Bremen, Deutschland
Vortrag von Michaela Scharf im Rahmen des „24. Internationalen Bremer Symposiums zum Film: Familien-Bilder – Lebensgemeinschaften und Kino“
Im Zentrum des Beitrags stehen die zwischen 1936 und 1943 produzierten Familienfilme Ellen Illichs, die – aus einer jüdischen Familie stammend und durch die Heirat mit einem kroatischen Katholiken vor nationalsozialistischer Verfolgung zunächst geschützt – mit ihren drei Söhnen bis 1942 in Wien lebte und dieses private Leben auf 16mm-Film festhielt.
Ellen Illich – mit Künstlernamen Maexie – hinterließ eine bedeutende Sammlung von ambitionierten Amateurfilmen, die wertvolle Einsichten in die Lebensverhältnisse einer Familie gewähren, deren Mitglieder mit dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 nicht länger als Teil der Gesellschaft betrachtet wurden. Der Beitrag nimmt Ellen Illichs private Filmpraxis dabei sowohl als eine Praxis der Erinnerungsproduktion in den Blick, als auch als eine Praxis der Selbstvergewisserung. Die amateuristische Filmproduktion – so meine Überlegung – ist nicht nur eine erinnerungsstiftende Praxis zur Konsolidierung der eigenen Erfahrungen, sondern auch eine subjektkonstituierende Praxis. Die Filmemacher*innen treffen über die Auswahl von filmenswerten Lebensereignissen sowie über die nachträgliche Gestaltung des gefilmten Materials in der Postproduktion mitunter idealtypische Aussagen über sich selbst (und verfestigen diese zugleich). In den Filmen werden wie in einem „lebendig gewordenen Tagebuch“ (Hellmuth Lange 1939) individuelle Standortbestimmungen der Filmenden sichtbar, die hier ihren persönlichen Blick, ihre persönliche Perspektive auf die Welt dokumentieren. Dabei orientieren sie sich an idealtypischen Subjektentwürfen, die wiederum vom sozialen Milieu der Amateur*innen, aber auch vom historischen Kontext abhängig sind. Ellen Illichs filmische Strategien der Selbstvergewisserung sowie die von ihr im Zuge der Filmproduktion adressierten Subjektentwürfe sind Thema des geplanten Beitrages. Dieser fragt zudem danach, ob und inwiefern sich Ellen Illichs Visualisierungsstrategien in Anbetracht der Tatsache veränderten, dass sie und ihre Familie ab 1938 inmitten einer Gesellschaft lebten, zu der sie nach nationalsozialistischer Lesart nicht mehr gehörten.
Veranstalter: Universität Bremen | Fachbereich 9 und Kommunalkino Bremen e.V. | CITY 46