Gewohnte Gewalt
Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino
Die extreme Häufung von Femiziden durch (Ex-)Beziehungspartner erinnert daran: Gewalt dringt nicht so oft von ‘außen’ ein wie sie vielmehr im sozialen Nahbereich ausgeübt wird. Häusliche Gewalt, die fast immer von Männern ausgeht, wird zur gewohnten Gewalt, gilt viel zu oft als Teil des Alltäglichen. Das Kino weiß davon: nicht zuletzt davon, wie allzu gewohnte Verhältnisse in Form von Schocks und Schrecken wahrgenommen werden. Daraus entsehen filmische Konventionen und Subgenres. Filmthriller erzählen häufig vom Heim als Schauplatz von Bedrohung durch deine täglichen – männlichen – Nächsten: von den Gaslight-Filmen der 1940er bis zu Baby Jane und Girl on the Train, von brutalen (und totalen?) Familien in österreichischen Filmen bis zum Oscar-Gewinner Parasite.
Die 50 Texte dieses Bandes handeln vom Domestic Thriller und seinen Umgebungen. Filmkritik und -geschichte verbindet sich mit Gegenwarts-Sozialkritik: Was an diesen Motivvorräten von Nahgefahr und Entmächtigung erscheint im Licht von Lockdowns, Beziehungsgewalt und politischem Gaslighting als klarsichtig? Und wo ist das Spannungskino, mit seinen Festschreibungen von Rassifizierungen, Geschlechter- und Klassenpositionen, selbst Teil des Problems?