Ghost Copy @ Febiofest, Österreichische Experimente

Wann

Fr, 03/03/2017 – 19:00

Wo

Kino Foaje, 811 04 Bratislava

Screening der Archivfilmarbeit „Ghost Copy“ von Christiana Perschon im Rahmen des Febiofest SK, Österreichische Experimente kuratiert von VIS Vienna Shorts.

Zwischen Schwarzkadern blitzen figurative Bilder auf – von Gesten und Blicken. Darüber eine Soundmontage aus Gesprächsfetzen, Störgeräuschen, Atmen und Lachen. Das Kompositionsprinzip von Ghost Copy gründet auf dem auf 8mm-Film dokumentierten „Wiener Spaziergang“ (1965) von Günter Brus. Im Rhythmus dieses Werks montiert Christiana Perschon zwischen 1935 und 1965 von österreichischen Amateurfilmer/innen aufgenommenes analoges Found Footage mit digitalen Tonfragmenten von Smartphone-Uploads aus dem Internet. Die Synthese aus Artefakten der Vergangenheit und der Gegenwart schafft einen Raum, in dem Zeit-Geist und Menschen-Bilder gespensterhaft in Erscheinung treten. (Diagonale ‘16)

Ein Schwarm Vögel; ein Flugzeug; ein Soldat dreht den Kopf; ein Kind sprintet auf die Kamera zu. Diese vier Einstellungen und die vielen, die in den nächsten zweieinhalb Minuten folgen, dauern je nur Sekundenbruchteile, eine Handvoll Kader – gerade lang genug, damit bewegte Formen als Gestalten, Gesten, Geschichtszeugnisse kenntlich werden. Dazwischen ist es finster.
Die Form von Ghost Copy verdankt sich einer doppelten Arbeit mit dem Archiv: Die Bewegtbilder sind österreichischen Amateurfilmen aus den Jahren 1935 bis 1965 entnommen. Das Stakkato aus Aufnahmen und Schwarzkader, in das sie angeordnet sind, ist dem Schnittmuster des 8mm-Films nachgearbeitet, der 1965 Günter Brus’ Aktion “Wiener Spaziergang” dokumentierte. Das Leben als von gewaltförmigen Grenzregimen durchdrungenes stellte Brus in der Wiener Innenstadt am eigenen weißbemalten, in der Mitte stacheldrahtartig zweigeteilten Körper aus. Christiana Perschon reicht dieser Aktion mit ihrer Found Footage-Montage nun keine auserklärte Vorgeschichte zum autoritären Charakter zwischen Ständestaat- und Wirtschaftswunder-Österreich nach, sondern lässt Spuren infamen, makrohistorisch ‘unerheblichen’ Lebens aufblitzen. Die geben zuwenig zu sehen, um sich als Geschichtserzählung ordnen zu lassen, und zuviel, um sie als abstrakt oder anekdotisch abzutun. Kostüm oder Uniform, Geselligkeit oder Mobszene, Stacheldraht oder Seiltanz? Wahrnehmen heißt prekäre Unterscheidungen treffen, zumal der Schnitt vor allem Bewegungsintensitäten balanciert, statt rhetorisch eindeutige Reime zu setzen. Als Gespenst einer Filmkopie leuchtet Geschichte nicht ein, sondern geht um. Geht auch nicht weg: Smartphone-Aufzeichnungen einer aktuellen Kriegsgeneration auf der Flucht – Fahrtwind-Rauschen, Boden-Knirschen, Atemholen – durchdringen die Tonspur. (Joachim Schätz)

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