Fingiertes Glück, umstrittene Zählung
Demokratie und Kulturindustrie in Filmen von Preston Sturges
Eine Analyse von Filmen von Preston Sturges anhand politisch-ästhetischer Theorien von Jacques Rancière und Theodor W. Adorno.
In dieser Diplomarbeit analysiere ich Filme, die Preston Sturges zwischen 1939 und 1944 für Paramount Pictures geschrieben und inszeniert hat, anhand politisch-ästhetischer Theorien von Jacques Rancière und Theodor W. Adorno. Ich untersuche, wie diese Komödien Zusammenhänge zwischen Massenkultur und Politik denken und mit massenkulturellen Mitteln selbst politische Momente von Dissens und Einspruch erzeugen. Meine zentralen Theorie-Werkzeuge sind Rancières Konzept von Politik als sinnlich inszeniertem Einspruch gegen bestehende Aufteilungen von Zeiten, Räumen und Zuständigkeiten und das von Adorno und Max Horkheimer geprägte Massenkultur-Konzept der „Kulturindustrie“.
Während Adorno und Horkheimer unter diesem Begriff die US-amerikanische Massenkultur der frühen 40er Jahre als „Massenbetrug“ und ideologische Einübung in den Monopolkapitalismus lesen, formulieren Sturges’ Filme aus derselben Massenkultur heraus und ausgehend von oft sehr ähnlichen Detailbeobachtungen Momente politischer Ermächtigung, sowohl auf Ebene der erzählten Handlung als auch in ihrer formalen Organisation. In meiner Lektüre dieser Filme greife ich neben Rancières politische Theorie auch auf seine Filmtheorie zurück, zumal auf seine Konzeption von Film als einer Kunstform der Selbstdurchkreuzung, die ihr egalitäres, politisches Potential nicht in „Reinform“, sondern in der Unterbrechung vorgefertigten Formeln und Darstellungsnormen realisiert.
Die Kapitel sind um je ein oder zwei wichtige Referenzfilme angeordnet, beziehen sich aber jeweils auf einen Sturges’ Paramount-Filmen gemeinsamen Themenkomplex. Im ersten Kapitel steht eine Konzeption von Politik im Mittelpunkt, die Sturges’ Filme mit Rancières politischer Theorie teilen: Politische Einsprüche erscheinen hier häufig in der Form von „Verrechnungen“, die eine etablierte Zählung oder Aufrechnung der Teile eines Gemeinwesens stören: Figuren sorgen als Überzählige für Verwirrung, Worte entgleiten ihren SprecherInnen und verdoppeln ihre Bedeutung, Slogans vervielfältigen sich.
Das zweite Kapitel handelt davon, wie Sturges’ Paramount-Filme in ihrer Verteilung von Bedeutungen, Sichtbarkeiten und Sprechansprüchen Gleichheit realisieren. Diese Egalität manifestiert sich in Form einer Offenheit für unterschiedliche, auch widerstreitende Präsenzen und Bedeutungen. Im ersten Abschnitt untersuche ich die Inszenierung von Gruppen und Menschenmengen in der Kleinstadtkomödie Hail the Conquering Hero, im zweiten die Inszenierung dissonanter Bedeutungen in der Hollywood-Selbstreflexion Sullivan’s Travels.
Im dritten Kapitel, „Das Alte und das Neue“, ist von Zeit die Rede: Die screwball comedy The Palm Beach Story wird mit Adornos Begriff des „immergleichen Neuen“ als konsumkapitalistisches Wunscherfüllungs-Idyll lesbar. Dann untersuche ich, auf welche Weise Reste einer älteren, „viktorianischen“ Ordnung in Sturges’ forciert gegenwärtige Filmen arbeiten und als Störungen produktiv werden.
Abschließend skizziere ich markante Differenzen und Anknüpfungspunkte zwischen Rancières und Adornos Konzeptionen von Politik und Ästhetik, die sich während der Arbeit an diesem Text herauskristallisiert haben.