Kontinuität und Transformation in Ellen Illichs Familienfilmen (1936–1943)

Datum

21 Apr 2022, 14:00 – 21 Apr 2022, 15:30

Ort

Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg, Rudolfskai 42, 5020 Salzburg

Vortrag von Michaela Scharf am 14. Österreichischen Zeitgeschichtetag 2022: „Risse in der Zeitgeschichte. Transformationen – Konflikte – Perspektiven“

Aus einer jüdischen Familie stammend und durch die Ehe mit einem Kroaten zunächst vor nationalsozialistischer Verfolgung geschützt, lebte Ellen Illich (geb. Regenstreif ) mit ihren drei Söhnen bis 1942 in Wien. Das Familienleben hielt sie auf 16mm-Film fest. Zwischen 1936 und 1943 drehte sie insgesamt 17 Amateurfilme. Illichs filmischer Erzählung zufolge bedeutete der „Anschluss“ im März 1938 für die Familie keine maßgebliche Zäsur. Ihre Filme vermitteln Kontinuität, doch über die Jahre kommen immer mehr Aufnahmen hinzu, die auf die Verfolgung der Familie durch das NS-Regime verweisen: so filmte Illich u.a. die „Arisierung“ des Wohnhauses im Juni 1941 sowie den letzten Schultag der Söhne, die als „Mischlinge ersten Grades“ ab Juli 1942 vom Schulbesuch ausgeschlossen waren. Die Zeit von der nationalsozialistischen Machtübernahme bis zur Flucht im Herbst 1942 erscheint demnach als eine Phase der Transformation. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage nach den soziokulturellen Funktionen, die das Filmen für die Familie in diesen Jahren erfüllte. Der Amateurfilm gerät dabei als ein Transformationsmedium in den Blick – und dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen werden darin biographische Transformationen repräsentiert, zum anderen vermag die Filmtechnologie, die Bedeutung der aufgezeichneten Lebensereignisse zu transformieren, und dies nicht nur auf Ebene der Repräsentation, sondern auch auf Ebene der sozialen Interaktion, also im Moment der Filmaufnahme selbst.